Identitti rezeptionista

Und jetzt stehe ich wieder vor euch und rede über mich selbst, weil es hier wieder eine Rolle spielt, wer welche Rolle spielt.

Regie: Simone Dede Ayivi

nach dem Roman „Identitti“
von Mithu Sanyal

Die Studentin Nivedita kann es nicht fassen: Ihre Professorin Saraswati ist weiß! Und das, obwohl Nivedita in ihr ein großes Vorbild, ein Role Model in identitätspolitischen Fragen und eine Identifikationsfigur gefunden hatte. Für sie, geboren mit indischem Vater in Deutschland, eröffnete sich in Saraswatis Seminaren eine neue Welt. Schon in der ersten Stunde verwies die Professorin weiße Studierende des Raumes, schrieb „Decolonize your soul“ an die Tafel und besprach Ursprung von und Umgang mit Identitätskämpfen. Und nun soll Saraswatis Karriere auf einer großen Lüge aufgebaut sein? Es entbrennt eine komplexe und hochemotionale Debatte: Nivedita postet unter dem Pseudonym „Identitti“ auf Twitter, und ihre Freundinnen organisieren Demos gegen diesen unglaublichen Fall von kultureller Aneignung. Währenddessen denkt Professorin Saraswati alle Argumente weiter, sodass bald niemand mehr weiß, was PoC („Person of Color“) nun eigentlich wirklich bedeutet.

Foto: Lex Karelly

Diese und ähnliche Debatten werden überall ausgetragen: auf der Straße, in der Universität, im Internet und schließlich auch im Theater, denn der Kulturbetrieb ist inzwischen ein identitätspolitisches Pulverfass, das allerdings dazu einlädt, Identitätsverhandlungen zu führen. Mithu Sanyals Roman „Identitti“ fragte 2020: Wer ist wer und wer kann für wen sprechen? Eine Frage, die wir uns auch immer wieder im Theater stellen: Wer kann glaubwürdig eine weiße Professorin spielen, die sich als Person of Color ausgegeben hat?

Fotos: Lex Karelly

Eine Inszenierung von „Identitti“ braucht unbedingt einen neuen Eklat: „Identitti Rezeptionista“ ist ein Stück über die Rezeption des viel gelesenen, viel besprochenen und auch in vielen Theatern adaptierten Romans von Mithu Sanyal. Die Inszenierung lädt dazu ein, sich der eigenen Widersprüche bewusst zu werden und die politischen Fragen rund um den Stoff weiter zu diskutieren.
 
REGIE Simone Dede Ayivi
BÜHNE Lani Tran-Duc
KOSTÜME Mariama Sow
SOUND UND MUSIK Katharina Pelosi
DRAMATURGIE Hannah Mey
MIT Vernesa Berbo, Iman Tekle, Chen Emilie Yan, Katrija Lehmann, Alexej Lochmann
 

Die Uraufführung war am 18.03.2023 am Schauspiel Graz.